Die Intensivmedizin ist in ihrem Selbstverständnis auf Gewinnung von mehr Lebenszeit für die schwerkranken Patienten ausgerichtet und damit grundsätzlich auf eine Ausweitung und Optimierung des Spektrums effektiver Behandlungsmaßnahmen ausgerichtet. Die Frage nach dem „rechten Maß“ drängt sich damit als zentrale Herausforderung aller klinischen Fächer, insbesondere aber der Notfall- und Intensivmedizin geradezu auf. Sorge vor rechtlichen Konse-quenzen – Schadensersatzhaftung oder gar strafrechtliche Ermittlungen – hat im Kreise der Beteiligten und insbesondere im Kontext der Intensivmedizin bislang jedoch weithin nur einen eindimensionalen Inhalt, nämlich im Sinne des befürchteten Vorwurfs eines „Zuwenig“ („unterlassene Hilfeleistung“). Dass auch ein „Zuviel“ rechtsförmliche Verfahren und Sanktionierungen nach sich ziehen kann, wird dagegen meistenteils nur gesehen, soweit sich damit eine Missachtung des Patientenwillens verbindet („eigenmächtige Zwangsbehandlung“). Aus diesem Grund hat sich die DIVI bereits 2021 mit einem Positionspapier an die betroffenen Kreise gewandt. Dieses Positionspapier erläutert Ursachen von Überversorgung in der Intensivmedizin und gibt differenzierte Empfehlungen zu ihrer Erkennung und Vermeidung. Zur Erkennung und Vermeidung von Überversorgung in der Intensivmedizin erfordert es danach Maßnahmen u.a. auf der Mikroebene der Einrichtung, insbesondere in Form regelmäßiger Evaluierung des Therapieziels im Behandlungsteam unter Berücksichtigung des Patientenwillens und unter Begleitung von Patienten und Angehörigen, Förderung einer patientenzentrierten Unternehmenskultur, Minimierung von Fehlanreizen in hausinternen Vergütungsmodellen, Stärkung der interdisziplinären/interprofessionellen Zusammenarbeit. Es besteht daher für alle Beteiligten dringender Anlass, das klinische Feld systematisch nach typischen Anwendungsfällen „nutzloser“ bzw. „unangemessener“ Behandlungsmaßnahmen zu sondieren. Dabei ist insbesondere auf das Phänomen der „angebotsinduzierten Nachfrage“ zu achten, die nach der Maxime „a built bed is a filled bed“ wirkt und die medizinische Indikation im konkreten Behandlungsfall in besonderer Weise gefährdet.
Keine Nachrangregelung bei zwei nicht ärztlich bestimmten MVZ
Die Nachrangregelung des § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V im Rahmen von zulassungsrechtlichen Nachbesetzungsverfahren von vertragsärztlichen Zulassungen ist nicht anwendbar, wenn sich bei der Auswahl des Praxisnachfolgers zwei medizinische Versorgungszentren gegenüberstehen, bei denen die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei den dort tätigen Ärzten liegt, sondern bei einem Krankenhauträger. Dies soll sogar auch dann gelten, wenn eines der medizinischen Versorgungszentren die Voraussetzungen der Bestandsschutzregelung des § 103 Abs. 4c Satz 4 SGB V erfüllt.
Dr. Tobias Weimer